Jüdischer Regionalfriedhof
Foto: Peter Mayer
Der jüdische Friedhof ist einer von 45 noch existierenden jüdischen Begräbnisstätten in Unterfranken.
Dass er die Wirren des NS-Terrors ebenso wie die anderen mainfränkischen Friedhöfe nahezu unbeschadet überstanden hat, verdankt er der Initiative des für Mainfranken zuständigen Naturschutzbeauftragten, dem Lohrer Arzt Dr. Hans Stadler, der mit Schreiben vom 7. Februar 1939 die Einstufung als „Naturdenkmäler“ anregte. So blieben uns auf diesem „Umweg“ Kulturdenkmäler von hohem Wert erhalten und dienen gleichzeitig als stete Erinnerung an die heute undenkbar erscheinende nahezu vollständige Ausrottung der jüdischen Mitbürger im Machtbereich des „Dritten Reiches“ und als Mahnung, sich jedwedem Aufkommen von Rassismus zu widersetzen.
Die Geschichte dieses im Volksmund „Judenkaiphas“ bezeichneten Friedhofs reicht bis ins 14 Jahrhundert zurück. Im Anfangsstadium vermutlich deutlich kleiner, umfasst er innerhalb der Mauerumfassung eine Fläche von rund 1 Hektar und gliedert sich in zwei sich markant unterscheidende Bereiche. Den neueren Teil mit dem Zugangstor, auf dem die Grabsteine in 10 vertikal verlaufenden Reihen angeordnet sind und sich meistens noch in gutem Zustand und mit lesbaren Inschriften zeigen. Ein ganz anderes Erscheinungsbild bietet der flächenmäßig größere ältere Teil. Hier ducken sich die teils zur Hälfte im Boden eingesunkenen Grabsteine ohne erkennbare Ordnung unter den mächtig gewordenen Baumbestand und dokumentieren den jüdischen Auferstehungsglauben, wonach jedes Grab unversehrt bleibt und nicht wiederbelegt wird. Alle 485 Gräber sind nach Osten, also Richtung Jerusalem hin ausgerichtet.
Die Lage jüdischer Friedhöfe weitab vom Ort ist dem christlichen Glauben geschuldet, wonach „Ungläubige“ nicht in den Genuss des beim Messopfer erteilten Segens kommen sollten.
Die Statuten des „israelischen Leichenhofes zu Reistenhausern“ von 1875 weisen folgende Kultusgemeinden als dem Leichenhofsbezirke zugehörig aus: Fechenbach, Freudenberg, Mönchberg, Eschau, Sommerau, Hobbach, Klingenberg, Röllfeld, Röllbach, Wörth, Trennfurt und Hofstetten. Darüber hinaus fanden auch Juden aus Reistenhausen, Mechenhard, Schmachtenberg, Streit, Obernburg und sogar aus der Gegend um Marktheidenfeld und Lohr ihre letzte Ruhestätte. Der „Bezirksfriedhof“ stand im Eigentum von sieben jüdischen Kultusgemeinden. Diese waren seit 1940 jedoch nicht mehr existent und so ging 2007 das Areal in den Besitz der jüdischen Kultusgemeinden in Bayern über.
Während im christlichen Friedhöfen Grabsteine erst im 18. Jahrhundert aufkamen, sind diese in jüdischen Friedhöfen seit dem 15. Jahrhundert verpflichtend. Hinsichtlich der Formen ähneln sich die Steine in den Untermaingemeinden mit beiden Konfessionen sehr stark. Dies ist nicht verwunderlich, da die Grabmale von den gleichen Steinmetzen gefertigt wurden und Formen und Ornamente oft unbewusst übernommen wurden. Dies lässt sich sehr schön in den beiden Reistenhausener Friedhöfen nachvollziehen.
An jüdischen Grabsteinen finden sich oft Symbole, die auf eine Funktion der Verstorbenen hindeuten.
Symbolik auf Grabsteinen und ihre Deutung:
Symbole des Todes
Foto: Peter Mayer
Häufig verwendetes Symbol auf diesem Friedhof ist die für den Tod stehende Urne, die mit dem Trauertuch bedeckt ist. Der Kranz steht mit seiner geschlossenen Form für die Ewigkeit.
Foto: Peter Mayer
Mohnkapseln (oben) und Mohnblüten stehen für den ewigen Schlaf und die Hoffnung auf das Weiterleben nach dem Tod.
Foto: Peter Mayer
Die geknickte Rose weist auf eine jung gestorbene Frau oder ein Mädchen hin.
Foto: Peter Mayer
Die abgebrochene Stele steht für einen jung verstorbenen Mann.
Funktionen, Stamm und Eigenschaften
Foto: Peter Mayer
Die Kanne steht für die Zugehörigkeit zum Stamm Levi.
Foto: Peter Mayer
Das Widderhorn (Schofar) weist den Verstorbenen als Schofarbläser aus.
Das Buch steht für einen gelehrten Menschen, einen Lehrer, Kantor oder Rabbiner.
Foto: Peter Mayer
Die beiden gekrönten Löwen weisen auf den Stamm Juda hin und gelten als Wächtersymbol für den kommenden Messias.
Foto: Peter Mayer
Der doppelte Grabstein ist ein Hinweis auf die Gesetzestafeln und damit auf die Frömmigkeit des/der Verstorbenen.
Wir bitten Sie, die Grabruhe und den besonderen Charakter des Ortes zu respektieren und den Friedhof nur in Absprache mit der Gemeinde Collenberg im Rahmen von Führungen zu betreten. Nähere Informationen zum Friedhof und den Grabsteinen können Sie einsehen unter http://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/juf/reistenhausen/reistenhausen.php
Quelle: Auszug aus Synagogen-Gedenkband Bayern „Mehr als Steine“ mit Auszügen aus dem Heimatbuch von Robert Bauer und von Kreisheimatpfleger Josef Weiß.